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10. 11. 2004

 

Endlos ohne Endlager?

Ein strahlendes Politikum: Die meisten Regionen in Deutschland sind zur Aufbewahrung von Atommüll geologisch ungeeignet

von Axel Bojanowski

Zwölf Behälter mit radioaktivem Abfall, jeder so groß wie ein Kleinbus, werden gerade per Bahn von Frankreich nach Gorleben (Niedersachsen) gefahren. Ins dortige Zwischenlager - und eine ungewisse Zukunft.

Denn weil ein geeignetes deutsches Endlager für den Atommüll immer noch nicht gefunden ist und die Suche sich zunehmend schwieriger gestaltet, fürchten Anwohner und Atomkraftgegner mittlerweile, das Zwischenlager Gorleben könnte zum Endlager werden.

Der Atommüll ist bei der "Wiederaufarbeitung" im französischen La Hague angefallen: Dort werden aus verbrauchten Brennelementen deutscher Atomkraftwerke verwertbare Stoffe herausgefiltert. Brennelemente liefern Atomenergie in Form mehrerer tausend Kilogramm des Pulvers Urandioxid. Der nach der Wiederaufbereitung nicht mehr nutzbare radioaktive Rest der Brennelemente wird nun zurückgeschickt, in Glas eingeschmolzen und in eine Metallhülle gesteckt. Diese Behälter, Castoren genannt, gehen zum achten Mal auf die Reise nach Gorleben.

Das Zwischenlager ist eine von Zäunen umgebene grüne Halle. Sie beherbergt bereits 44 Castoren, 376 Stellplätze sind noch frei. Dort soll der Atommüll 30 Jahre lang "abkühlen", um danach in einem Endlager für alle Zeit sicher abgeschlossen zu werden.

Doch wo das sein wird, weiß zur Zeit niemand. Lange war der Salzstock Gorleben, nur einen halben Kilometer vom Zwischenlager entfernt, als Endlager für den so genannten heißen Atommüll aus Kernkraftwerken vorgesehen. Doch die rot-grüne Bundesregierung beschloss 1998 kurz nach ihrem Amtsantritt, die jahrzehntelangen Erkundungen im Salzbergwerk Gorleben auszusetzen. Auch der "kalte", weniger stark strahlende Atommüll aus der medizinischen und chemischen Industrie hatte im "Schacht Konrad", einem Eisenbergwerk bei Salzgitter, eigentlich schon sein Endlager gefunden. Klagen von Bürgern verhindern jedoch auf Jahre die Inbetriebnahme des Schachts.

Bis auf weiteres sammelt sich deshalb immer mehr Atommüll in den zwölf oberirdischen Zwischenlagern in Deutschland. Weil das Bundesumweltministerium Atomtransporte innerhalb Deutschlands zu einem zentralen Endlager vermeiden möchte, wurden inzwischen neben allen Atomkraftwerken Zwischenlager eingerichtet. Viele Gemeinden klagen bereits gegen die Zwischenlager, weil sie "Endlager durch die Hintertür" befürchten.

Denn obwohl inzwischen bereits sechs Jahre vergangen sind, steht die Endlager-Suche noch am Anfang. Bundesumweltminister Trittin beauftragte vor vier Jahren ein 14köpfiges Expertengremium, den "Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte" (AkEnd), ein Verfahren für die Suche nach einem einzigen Endlager für sämtlichen Atommüll zu finden. Die "Ein-Endlager-Lösung" hält der AkEnd zwar für realisierbar, aber für viel problematischer als die früher angestrebte Zweiteilung des Strahlenmülls in kalt (Schacht Konrad) und warm (Gorleben). Der AkEnd wurde inzwischen aufgelöst. Bis 2010 sollen nun im normalen Gesetzgebungsverfahren zwei Endlager für die Erkundung bestimmt werden. Doch wo? Nach ersten Prüfungen steht nur fest, dass die meisten Regionen in Deutschland nicht für ein Endlager in Betracht kommen. Denn geologische Ausschlusskriterien führten dazu, dass große Flächen als mögliche Endlagerstandorte ausschieden. Vulkangebiete wie Eifel oder Vogtland kommen genauso wenig in Frage wie die Erdbebenregionen Schwäbische Alb oder Rheingraben. Auch die Alpen wurden gestrichen, weil das Gebirge in Bewegung ist. Zudem werden Flächen von der Planung ausgeschlossen, die keine einheitlichen geologischen Formationen aufweisen, zu groß ist die Gefahr, dass Wasser eintritt. Geeignet sind nur Ton- und Salzlagerstätten.

Neben der Standortfrage rückt bei nur einem Endlager ein anderes Problem in den Mittelpunkt: Stark und schwach strahlender Müll müssen getrennt werden. Denn beide Arten des Atomschrotts unterscheiden sich nicht nur in der Intensität der Strahlung, sondern auch in anderen Eigenschaften, etwa in ihren Ausdünstungen. Bei nur einem Endlager wären künstliche Barrieren nötig.

Quelle: WELT am SONNTAG: Endlos ohne Endlager? Artikel erschienen am 7. November 2004
http://www.wams.de/data/2004/11/07/357160.html


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